Seitdem meine Gespielin und ich mit Hypnose in Kontakt kamen, haben wir viel damit erlebt. Es hat uns neugierig gemacht; so neugierig, dass wir auf eigene Faust – vorsichtig und langsam – die Grenzen ein wenig erkundet und verschoben haben, aber es blieb – zumindest bei mir – eine gewisse Unsicherheit. Vielleicht auch Angst – aber die beiden Dinge hängen bei mir fast immer fest zusammen. Und deshalb vergrub ich mich in Videoseminare und Bücher über Hypnose und NLP um zumindest meine Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Ihr könnt Euch denken, wohin das führt, nicht wahr?
Genau. Ein jeder Kursleiter erklärt ähnliche Phänomene auf andere Arten, von der abwegigsten Esoterik bis zur Biochemie, und an Überblick und Vereinfachung für jemanden wie mich, der einfach nur damit spielen mag, war eigentlich nicht zu denken. Natürlich habe ich viel gelernt, über Sprachmuster, Hintergründe und vor Allem Techniken, besonders aus dem Bereich von Showhypnose, die ich als sehr nahe an „unserer“ Art, die wir fürs Spielen benutzen möchten, sah – und ich fühle mich auch ein wenig sicherer – aber ich wurde geistig auch entrückter. Je mehr ich lernte, desto mehr hatte ich das Gefühl, auf Wissensblöcke wie auf einem Lehrbuch achten zu müssen. Der Gedanke, intuitiv zu hypnotisieren rückte eher weiter weg, als dass er in Reichweite kam. Das störte mich ein wenig – es passte immer weniger zu einer BDSM-Session und selbst die einfachen Techniken waren wohl eher für einen Party-Trick geeignet oder für eine kurze Vorführung auf der Straße.
Aber dann half uns das Schicksal: Eines Tages erreichte mich eine Mail, in der ein neues Seminar für Hypnose im BDSM-Kontext angeboten wurde – die Fortgeschrittenen-Veranstaltung von den beiden Dozenten, die uns zuerst damit in Kontakt brachten, und die uns so neugierig, so begierig darauf gemacht hatten! Versprochen wurden interaktive Anwendungen, und das klang extrem spannend – nicht zuletzt, weil wir von den beiden schon gehört hatten, was sie mit diesen Dingen für Spaß hatten! Leider war der Kurs ursprünglich wieder zweitägig ausgelegt, und das ließ sich dieses Jahr an keinem der Wochenenden noch schaffen. Durch einen Zufall aber wurde er diesmal für den Termin, der nahe bei uns ist, auf einen Tag gekürzt, und das passte perfekt! Wir waren sofort Feuer und Flamme und waren tierisch glücklich, dass uns unsere Partner auch erlaubten, wieder gemeinsam hinzugehen (für die Interessierten: Es handelt sich um das BDSM-Hypnose-Seminar für Fortgeschrittene).
Als der Tag begann freuten wir uns unglaublich, viele bekannte Gesichter von wirklich sympathischen Menschen zu sehen, die schon im ersten Kurs mit uns Teilnehmer waren (ich empfinde liebe Menschen bei Seminaren, die so persönlich sind, immer als total wichtig) und wir verschwendeten keine Zeit und stürzten uns sofort ins Geschehen. Es war sehr angenehm, dass die Teilnahme am Einsteiger-Seminar eine Voraussetzung war – wir mussten also keine Zeit damit verbringen, uns alle auf das selbe Level zu bringen. Statt dessen erzählten wir erst einmal von Spielideen und Erfahrungen, die wir gemacht hatten. Wir kannten uns ja schon und es war sehr offen und ein schöner, interessanter Einstieg. Außerdem haben die Dozenten spontan noch eine Neuentdeckung mit uns geteilt – eine Smartphone-App, die zwar nicht explizit für Hypnose gedacht ist, aber Klangteppiche erzeugen und mit gesprochenen Worten verweben kann, und wir lernten spontan eine interessante Art, jemanden sanft in eine Trance zu führen, die durch die Klänge an sich schon eine alternative Realität im Kopf des Opfers zu zaubern beginnt – etwas, das wundervoll zu den hauptsächlichen Kursinhalten passen würde.
Nach dieser kurzen Einleitung ging es dann aber mit den Hauptthemen los: Es sollte ja um interaktive Erlebnisse gehen. Das heißt, der Hypnotisierte nimmt nicht nur die Worte des Hypnotiseurs auf, sondern reagiert auch darauf. Damit wir die Hypnose auch gleich passend einleiten, haben wir zwei Methoden dazu gelernt, die mit den Reaktionen des Opfers arbeiten und auch mehr Verantwortung bei diesem lassen, und die unheimlich effektiv sind und uns sehr gefallen (und von ihrer Einfachheit und Effizienz beeindruck) haben. Ich habe meine Gespielin damit direkt beim ersten Versuch in eine so tiefe Trance geschickt, wir wir es vorher … nun, ich denke, noch nie geschafft haben. Ich hatte von dieser Trancetiefe bei meinen Recherchen vorher schon gehört, hab sie aber dort das erste Mal hervorrufen können, und das funktionierte dank der Anleitung unserer wundervollen Dozenten ganz problemlos! Ich wusste, dass diese Trancetiefe mit ein paar Effekten (zum Beispiel Anästhesie) einhergeht und musste es natürlich direkt testen. Ein starkes Kneifen bemerkte meine Gespielin in diesem Zustand nicht – mehr noch, sie konnte sich auch in keinster Weise daran erinnern! (Das nächste Mal versuche ich das mit Nadeln <3)
Nachdem wir von den Techniken einigermaßen beeindruckt waren und noch mehr davon, wie gut uns ein paar einfache Hinweise dazu verhalfen, sie so problemlos anzuwenden, wollten wir natürlich spielen. Wir haben uns an einer einfachen Art der interaktiven Anwendung versucht – einer interaktiven Traumreise, wie wir sie bei unseren Versuchen vor dem Seminar auch schon gemacht haben. In der Trance beschreibt man dem „Probanden“ eine Szene, legt vielleicht einen Startpunkt fest, und lässt ihn dann darin agieren. Meine Gespielin suchte sich einen Wald aus – und während sie das Ruder übernahm und mich hindurch führte, mir alles zeigte und beschrieb, was sie sah und tat lächelte ich – genoss ihre schönen Beschreibungen und erkannte in dem ein oder anderen Detail dieser Landschaft in ihrem Kopf Wesenszüge von ihr selbst. Es war ganz friedlich und unschuldig (auch, wenn ich sie einmal fast im Wasser ertränkt hätte – aber ein wenig Aufregung musste ja nun auch sein).
Nachdem mir auch eine Traumreise geschenkt wurde, hatten wir wirklich das Gefühl, auf einer Wellenlänge zu sein, uns in die Worte des Anderen fallen zu lassen – und waren bereit für bösere Dinge: Das Hauptelement, von das uns die beiden Dozenten auch außerhalb des Workshops immer wieder vorschwärmen und das wir nun endlich auch erleben sollten, ist die Wachtrance. Dabei wird jemand hypnotisiert, und darauf vorbereitet, gerade so weit aus der Hypnose heraus zu kommen, dass er scheinbar normal agieren, herumlaufen, sprechen kann. Bevor das geschieht, werden aber einige Suggestionen eingepflanzt, die die Realität desjenigen verändern. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt – also: Wirklich. Es ist beeindruckend.
Das Opfer agiert dann in einer Welt, die zum Teil die Realität ist, aber die noch von den Worten des Hypnotiseurs geprägt ist, und sich deshalb in einigen Aspekten ändert. Das ist ein ganz dynamischer Vorgang, denn wenn eine Suggestion nicht so aufgenommen wird, wie man sich das vorgestellt hast, kann man das Opfer mit einem einfachen Befehl in die Trance zurück werfen, um die Parameter etwas zu ändern. Es war uns allen sofort klar, dass das ein zauberhaftes Mittel ist, um „normale“ Sessions zu bereichern und unglaublich viel Unsinn damit zu machen, und wir waren ganz hibbelig und konnten es kaum erwarten, endlich zu beginnen!
Das taten wir dann auch – bis auf eine kleine Unterbrechung spielten wir mit diesem neuen Werkzeug und waren verblüfft davon, wie einfach es ging, wie leicht es uns fiel und wie unkompliziert es anzuwenden ist. Es war am Ende eine Sache von zwei Minuten, meine Gespielin in einen Zustand zu werfen, der genau so war, wie ich ihn für eine Session gern haben wollte. Es hat wortwörtlich weniger lang gedauert, als die richtigen Seile in meiner Spielzeugtasche zu finden ;)
Ich habe Euch mit diesem langen Text nicht gelangweilt, oder? Ihr habt es gleich geschafft. Einige der Wachtrance-Spiele, die wir im Seminar beim Üben und auf der darauffolgenden Party spontan spielten waren:
- Ein erster vorsichtiger Test, in dem meine Gespielin in einer Wachtrance war, in der sie nicht sprechen konnte. Aus Neugier habe ich diesen Zustand noch während der Session an ein Wort geknüpft, und so auch außerhalb der Wachtrance abrufbar gemacht (obwohl sie, was diesen Trigger anging, sehr eigene Vorstellungen hat, und sich mit Händen und Füßen gewehrt hat um ihn wieder los zu werden – und es schließlich schaffte, funktionierte er erst einmal recht gut. Aber warte nur – so leicht mache ich es dir das nächste Mal nicht!)
- Ein Spiel, in dem ich der Herrin des Feuers gegenüberstand. Ihr Haar brannte, ihr Blick durchbohrte mich und jede Faser meines Körper fügte sich ihren Worten. (Das war, wie gesagt, keine Traumreise sondern die Realität, die ich so wahrnahm. Meine Gespielin stellte die Herrin des Feuers dar) Sie konnte mich mit unsichtbaren Ketten an die Wand fesseln. Ich musste nicht einmal dran denken – als sie die Worte sagte, blieben meine Hände dort. Ganz von allein…. und lange! Ich habe heute noch Muskelkater davon – aber währenddessen war nicht daran zu denken, sie herunterzunehmen. Mehr noch – ich konnte die Ketten spüren und bin mir vollkommen sicher, mich mehrmals an ihnen hochgezogen zu haben!
- Eine Rauferei, in der ich meine Gespielin (die mir eigentlich ebenbürtig ist) halb so stark machte. Ich war beeindruckt, wie perfekt sie „die Hälfte ihrer Stärke“ getroffen hat – und es war so lustig, mit ihr zu raufen! Am Ende führte ich noch den Effekt ein, dass ein Fingerschnippen von mir sie noch schwächer macht – nach und nach wurde sie so schwach, dass sie auf den Boden sank und sich selbst der Schwerkraft nicht mehr erwehren konnte. Oh – und am Ende, nur um fair zu bleiben, gab ich ihr die Suggestion, stärker als ich zu sein! Ich glaube, das löste in ihren Muskeln noch ein paar Kraftreserven, die ich vorher nicht an ihr spürte. Jedenfalls nahm ich ihr diese Stärke dann bald wieder, als ihre Gelenke unter ihren Muskeln anfingen zu knacken… das tat ich aber auf kreative Art. Ihre Stärke würde sich halbieren, wann immer sie durch eine Tür geht. Das war zu Beginn der Party – und es gab viele Türen, und sie hatte viele Wege vor sich. Es war zu lieblich, zu sehen, wie sie nicht umher kam, sich selbst zu schwächen – und wie sie zögerte, eine Tür zu passieren <3
- Mein erstes Mal, meine Gespielin zu Beginn einer Session mit einer Hypnose zu überrumpeln hat wundervoll funktioniert. Diese Trance führte sie einfach in eine Grundhaltung, in der sie mir vollkommen devot gegenübersteht, mich anbetet und mir jeden, wirklich jeden, meiner Wünsche erfüllen möchte. Während des Spieles änderte ich diesen Zustand noch mehrere Male, indem ich sie einmal kurz vergessen ließ, wo sie war – während sie physisch mit verbundenen Augen in einem Pranger steckte. Sie bekam Angst, die immer stärker wurde und Panik, als ich sie berührte (weil sie auch vergaß, dass ich es bin, der hier bei ihr ist) und kurz bevor sie versuchte, dem Pranger durch gefährlich aussehende akrobatische Manöver zu entkommen (oder sich dabei den Arm zu brechen) habe ich sie in die Trance zurück geworfen ;) Dafür konnte ich ihr danach glaubhaft klar machen, dass sie furchtbare Angst vor einem Nadelrad hat (über das sie wohl sonst eher schmunzelt) – und ihr Schmerzensschreie entlocken, obwohl ich sie damit fast nicht berührte! Aber so ist das halt, wenn du dir vollkommen sicher bist, dass es das Schmerzhafteste ist, das du dir vorstellen kannst…
Fazit
Ja. Ein Fazit habt ihr Euch verdient – nach diesem hilflosen Versuch, meine Gedanken und Eindrücke in Worte zu fassen. Ich hätte vielleicht länger warten sollen – hatte aber Angst, dass ich dann nicht mehr so treffende Worte für diese tollen Erlebnisse finden würde und es mir schwerer fallen würde, sie niederzuschreiben.
Ich habe mich auf das Fortgeschrittenen-Seminar im Vorfeld unheimlich gefreut – aber niemals damit gerechnet, dass es so eine Bereicherung sein könnte. Ich dachte, ich hätte viel gelernt, ich dachte ich wäre weit gekommen, aber dieser Tag hat mir die Tore geöffnet in eine Welt, in der ich Hypnose unkompliziert, intuitiv und spontan einsetzen kann wann immer ich möchte, um eine Situation zu bereichern, ein Spiel zu intensivieren – aber auch, für all die anderen Dinge, für die man das tun könnte! Es hat mir viel Angst genommen, mir Selbstbewusstsein und die Sicherheit gegeben, mich nicht mehr überwinden zu müssen und das Lampenfieber zu bekämpfen – denn das habe ich nun einfach nicht mehr, bevor ich jemanden hypnotisiere.
Die Wachtrance an sich ist eine zauberhafte Bereicherung. Nach dem Einsteiger-Seminar kennt man wirklich wichtige Grundlagen, und für BDSM gibt es wundervolle Effekte – gerade posthypnotische Trigger. Diese sind aufregend und interessant, zielen aber in meinen Augen sehr auf eine Session ab, die sich um Hypnose dreht – oder deren zentraler Punkt die Hypnose ist. Mit den Mitteln rund um eine Wachtrance habe ich nun etwas, das ich ganz spontan und intuitiv einfließen lassen kann, um etwas zu intensivieren. Gefühle, Geisteshaltungen, Einschränkungen in einer Session – aber warum denn nur dort? Ich denke an Disco-Besucher, Vergnüngungsparks, Rollenspiel-Abende, Kinobesuche… und mit jeder Stunde nach dem Seminar fällt mir mehr ein, das ich unbedingt ausprobieren mag!
Nach dem Weg durch die Welt der Hypnose bin ich nun gefühlt an einem Punk, an dem ich sie so weit beherrsche, dass ich ohne über die Grundlagen und Methoden nachzudenken einfach damit Spaß haben kann. Die beiden Seminare im Kontext BDSM waren für mich der perfekte Weg dorthin – und ich muss sagen, dass es tatsächlich das aufregendste „Spielzeug“ ist, das ich in meiner BDSM-„Laufbahn“ in mein Repertoire aufgenommen habe. Praktisch nur, dass die Möglichkeiten bei BDSM-Sessions nicht enden…